Die Geschichte der E03/103er Lokschilder

 

 

Vom Stück Metall zum Kultobjekt: Die Lokschilder der 103

 

 

Die Geschichte der Baureihe 103 war stets von Superlativen geprägt. Kurz vor ihrem Show-down sorgten die 103er für neue Dimensionen auch bei einem Insider-Hobby: Dem Sammeln von Lokschildern.

Zur Erinnerung: Im Jahr 1968 verloren mit Einführung der EDV-Nummern bei der Deutschen Bundesbahn alle Lokomotiven ihre Guss- und Nietschilder. Lediglich die verbliebenen Dampflokomotiven und einige wenige Altbau-Ellokbaureihen erhielten ersatzweise die bei den Sammlern anfangs verpönten Stahlblechplatten mit Ziffern in Siebdrucktechnik.

Bei den insgesamt rund 1900 Elektroloks der Baureihen E 10, E 40, E 41 und E 50 lackierten bzw. klebten die Mitarbeiter der Werkstätten fortan die Loknummern – wie bei den Diesellokomotiven bereits üblich – direkt auf die Front- und Seitenflächen der Lokkästen bzw. Rahmen. Die Alugussschilder dieser Baureihen, je zwei gewölbte Front- und zwei glatte Seitenschildern mit den einheitlichen „großen“ Ziffern wurden für ein paar Mark an Sammler abgegeben – oder wanderten in den Schrott.

Auch die vier Vorserien- E03er erhielten fabrikneu Guss-Lokschilder aus Alu mit großen Ziffern, unter Sammlern als „GAlG“ bezeichnet. Die Seitenschilder entsprachen dabei in ihrer Größe und Ausführung exakt denen der Einheits-Elloks.

Anders dagegen die gebogenen Frontschilder der E 03: Ausgehend von den Erfahrungen bei der 150 km/h schnellen E 10, bei der so manche Lok ihr Lokschild z. B. durch Vogelschlag verloren hatte, erhielten die E 03 deutlich verstärkte Frontschilder.

DB, 103 001-4 Siebdruck DB, 103 003-0 Siebdruck
DB, 103 156-6 Siebdruck DB, 103 173-1 Siebdruck, umgebaute "kurze" 103 in "lange" 103
DB, 103 188, lackiert DB, 103 196-2, lackiert

 

Mehr als nur Lokschild

Über die Kennzeichnung der Lok hinaus erfüllten die Frontschilder zwei bedeutsame zusätzliche Funktionen: Zum einen sorgten sie für eine auch bei höheren Geschwindigkeiten moderate Luftzufuhr der direkt hinter den Schildern gelegenen Öffnungen für die Führerstandsbelüftungen. Hierzu wurden die Schilder auf an die Lokkästen geschweißte Abstandshalter geschraubt.

Zum anderen „versteckten“ die offenkundig auf Ästhetik bedachten Konstrukteure der E 03 die Halterungen für die Zugschlussscheibe, die auch bei Elektroloks in seltenen Ausnahmefällen benötigt wurde, direkt hinter dem Lokschild. Hierzu erhielten die Frontschilder der E 03 im oberen Bereich mittig eine Aussparung, damit die Zugschlussscheibe auf die darunterliegende, ebenfalls am Lokkasten angeschweißte Halterung eingesteckt werden konnte.

Mit der Einführung der EDV-Nummern bei der DB verloren auch die E 03 Anfang 1968 ihre Aluschilder. Wie bei fast allen anderen Elektroloks auch, wurden die Seitenschilder durch am Lokkasten bzw. Rahmen auflackierte Ziffern ersetzt. An den Stirnseiten verboten jedoch die Öffnungen für die Frischluftversorgung der Führerstände den ersatzlosen Verzicht auf Schilder. Bei hohen Geschwindigkeiten hätte das Klima im Führerstand sonst „Sturmstärke“ erreicht. Neue Stahlblechplatten, aus dem gleichen, dünnen Material wie die EDV-Schilder der DB-Dampflokomotiven, sorgten für Abhilfe. Konsequent wurde auf diese Platten auch die Loknummer geschrieben, so dass das 103.0-Lokschild geboren war – obwohl es eigentlich nicht ursächlich als Lokschild vorgesehen war, sondern vorrangig anderen Funktionen diente.

Diese Erfahrungen führten auch zur Ausstattung aller Serien-103er mit Front-Blechplatten. Diese waren im Vergleich zu den Vorserienmaschinen wesentlich aufwändiger gearbeitet, was für den Reisenden am Bahnsteig erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist:

Die Stärke des Stahlblechs betrug jetzt 3 mm, um Beulenbildung z.B. bei Vogelschlag zu vermeiden. Die Abstandhalter für die Platte wurden ebenso wie die Halterung für die Zugschlussscheibe nun nicht mehr an den Lokkasten, sondern direkt an die Rückseite des Schildes geschweißt. Gleichzeitig optimierten die Techniker die Luftzufuhr für den Führerstand und deren Sicherung auch bei Beschädigungen oder Verschmutzungen z.B. durch Laub oder Vögel. Die Stahlblechplatten der Serienloks erhielten oben, zum Teil auch unten, im rechten Winkel angeschweißte Blechbänder, an die zur Abdichtung zwischen Schild und Lokkasten zusätzlich Gummiwulst-Dichtungen angeschraubt oder aufgesteckt wurden. Die Luftzufuhr in den Belüftungskanal hinter der Blechplatte war damit bei vielen Serien-103ern nur noch von der Seite möglich.
Schließlich lackierten die Hersteller die Loknummer im Siebdruckverfahren auf die Blechplatten. Damit mutierte die Luftzufuhr- und Zugschlusshalterplatte zum später so begehrten Lokschild.

 

Unterschiede im Detail

Erstaunlicherweise gingen die drei Hersteller des mechanischen Teils der Serien-103 im Detail zunächst unterschiedliche Wege, die Aufgabenstellung zu erfüllen, so dass es Lokschilder der 103 in verschiedenen Ausführungen gibt:

Krauss Maffei schraubte eine aufwändig geformte Dichtung aus Weichgummi am oberen Blechband mit insgesamt sechs Schrauben, dichtete das Schild aber auch an der unteren Schilderkante mit dem gleichen Gummi und ebenfalls sechs Schrauben ab.

Henschel stattete seine allerersten abgelieferten 103er mit Schildern ähnlich der Bauart Krauss Maffei aus. Bekannt sind 103 109 – 114. Bereits nach wenigen gefertigten Maschinen gab es eine Konstruktionsänderung: Jetzt benötigte Henschel für die Befestigung des gleichen Weichgummiprofils an der oberen Schilderkante sogar zehn Schrauben. Auf ein unteres Blechband wurde dagegen im Regelfall bei allen Schildern aus Kassel verzichtet.

Krupp schließlich verzichtete auf jegliche Verschraubungen, sondern steckte einfach eine blechverstärkte Gummilippe auf die Blechstreifen oben und zunächst auch unten am Schild auf. Korrosionsschäden führten jedoch im Laufe der Zeit bei Hauptuntersuchungen zu einem Verzicht auf die untere Abdichtung.

Schnell zeigte sich, dass die Gummidichtung an den Verschraubungen im Lauf der Jahre aushärteten und dann zu Brüchen neigten, so dass ab Lok 103 203 die von Krupp gewählte Ausführung von allen Herstellern einheitlich angewandt wurde. Erstaunlicherweise waren dennoch einige Lokomotiven bis zu ihrer Ausmusterung mit angeschraubten, allerdings recht maroden Gummidichtungen im Einsatz zu beobachten.

Ab 103 206-9 wurde übrigens bei allen Lokschildern generell auf den unteren Blechstreifen zur Abdichtung verzichtet.

Ebenso verzichtete das Aw ab ca. 1984 auf das Auflackieren der Ziffern auf die Schilder nach erfolgter roter Neulackierung der Lok. Inzwischen waren Klebeziffern auf dem Markt, die erhebliche Kostenvorteile boten. Zunächst verwendete die DB beige-farbene Klebeziffern, passend zum Grundlack des Lokkastens. Nach Einführung des neuen Farbschemas 1987 wurden ab ca. 1994 die beigen, nicht mehr lieferbaren Klebeziffern durch lichtgraue ersetzt.

Bemerkenswert ist, dass fast alle Lokomotiven bis zur Ausmusterung mit ihren Original-Schildern herumfuhren. Bis 1999 gab es nur vereinzelte Verluste z.B. bei starken Deformierungen durch Unfälle. In wenigen Fällen wurden die Schilder nach langen Abstellzeiten vor der Aufarbeitung im Ausbesserungswerk Opladen vertauscht. So gibt es von 103 169-9 tatsächlich drei originale Lokschilder.

Mindestens drei Lokschilder blieben dadurch in der Original-Lackierung mit Siebdruckziffern erhalten: 103 106, 103 118 und 103 173.

103 106-1 103 118-6 DB, 103 173-1, lackiert

Rückseite

Mit der beginnenden Ausmusterung entwickelte sich die 103 endgültig zum Kultobjekt – und damit auch der nicht zu bremsende Wunsch einiger Zeitgenossen, bereits vor der Abstellung ihrer Lieblingslok sich des Lokschildes zu bemächtigen. Der zunehmende Klau von Lokschildern an Betriebslokomotiven (!) im Jahr 2000 sorgte allerdings nicht nur zu bisweilen höchst seltsamen Nummerungen der Loks sondern insbesondere zu unliebsamen Begleiterscheinungen während der Fahrt, bei der sich mancher Lokführer zu recht über Windstärke neun im Führerstand beschwerte.

Die Werke in Hamburg und Frankfurt behalfen sich zunächst mit einer aufwändigen Nachfertigung oder dem Ersatz der gestohlenen Schilder durch die noch vorhandenen Lokschilder abgestellter Maschinen. So erhielt z.B. 103 234 ein Schild der 103 129 oder 103 192 ein Schild der 103 207. Oftmals war bei genauem Hinsehen die ehemalige Nummer auf der Platte noch erkennbar.

Schließlich sahen sich die Mechaniker in Frankfurt genötigt, zwischen Dezember 2000 und Februar 2001 alle Schrauben der 103er-Lokschilder fest zu schweißen. Beim späteren - legalen - Abbau dieser Schilder nach Ausmusterung der Lok führte das Abflexen der Schrauben zwangsläufig zu unschönen – aber originalen – Beschädigungen der roten Schilder-Lackierung.

 

Offizieller Lokschilderverkauf

Erfreulicherweise erhielten die Sammler dreimal Gelegenheit, auch offiziell 103er-Lokschilder zu erwerben: Am 8. September 2001 versteigerte das DB-Museum Nürnberg 44 Schilder für einen sozialen Zweck. Den höchsten Zuschlag erhielt mit umgerechnet 320 Euro das weinrote Schild der 103 105-3.

Ein knappes Jahr später, am 15. Juni 2002 standen erneut einige Lokschilder der 103 in Nürnberg zur Versteigerung an. Obwohl es sich teilweise um Ersatzschilder handelte, die überdies durch Verschweißungen Beschädigungen aufwiesen, purzelten die Rekorde reihenweise. Den Spitzenpreis erzielte 103 170-7, welches der Autor auch gern gehabt hätte, mit 550 Euro! Diese Preisentwicklung, die man bisher nur bei Aktienkursen kannte, dokumentieren den Kultstatus, den die Lokschilder inzwischen erreicht hatten.

Unerwartet fand am 25. Juni 2005 eine dritte Auktion von 103er-Schildern in Nürnberg statt. Den Rekordpreis erzielte das Ersatzschild (!) der 103 174-9 mit 540 Euro. Im Gegensatz zu manchem Aktienkurs sind die Preise für 103er-Lokschilder jedoch weiter gestiegen. Für schöne Stücke in altrot werden im Ebay gerne 800 Euro und mehr gezahlt!

Dabei sind die wenigsten Schilder vom Zustand her geeignet, an die Wohnzimmerwand gehängt zu werden. Denn ebenso wie die Lokomotiven, die vor ihrer Abstellung zumeist einen ungepflegten Eindruck machten, sahen auch deren Schilder aus. Die ab Mitte der achtziger Jahre verwendeten, zunächst beige-farbenen, ab ca. 1994 lichtgrauen Klebeziffern mit ihrer geringen Eignung für mit 200 km/h aufprallende Insekten fransten schnell aus und taten für die Optik ein übriges.

Dennoch sollte sich jeder stolze Besitzer eines Schildes davor hüten, das ach so hässliche Schild neu zu lackieren und zu beschriften. Denn nur der Originalzustand rechtfertigt den Wert, und lediglich eine vorsichtige Reinigung bei übermäßigem Insektenschmutz, bei der 103 im Frontbereich bei hohen Geschwindigkeiten keine Seltenheit, sollte erlaubt sein.

Ebenfalls an keiner Wohnzimmerwand zu finden, schon eher im Tresor, sind die Original-Alugussschilder der Vorserien E 03. Glücklich ist, wer jemals ein solches Schild in seiner Hand halten durfte...

DB, 103 182-2, lackiert
Rückseite
DB, 103 214-3, Klebeziffern DB, 103 217-6 lackiert DB, 103 228-3 lackiert
DB, 103 229-1 lackiert, mit Schlüssel DB, 103 231-7, lackiert - 750 001-0 ehemalige E03 001, als Bahndienstlok für Messzüge
103 als Bahndienstlok
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Herzlichen Dank an Tobias Richter für diese wunderschöne Ausarbeitung eines ganz speziellen Themas!